Arbeit und Soziales – Kommt eine neue Hartz-IV-Reform?

Aktuell beraten Bund und Länder in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe über Gesetzesänderungen im Sozialgesetzbuch II, speziell bei Hartz IV (Arbeitspapier „Rechtsvereinfachungen im zweiten Sozialgesetzbuch“). Doch wie der Sozialwissenschaftler Harald Thome auf seiner Webseite mitteilt, haben Sozialleistungsempfänger nicht nur Positives zu erwarten, sollten die Vorschläge tatsächlich bei der Bundesregierung Anklang finden.

Reformen im Sinne der Sozialleistungsempfänger

Durchaus im Sinne der Hartz-IV-Empfänger wird aktuell diskutiert, die Bewilligungszeiträume auszudehnen. Dann müsste nicht alle sechs Monate ein Antrag auf Sozialleistungen gestellt werden, sondern nur noch einmal im Jahr. Besonders wichtig: zukünftig sollen von den Jobcentern nicht mehrere Sanktionen gleichzeitig verhängt werden dürfen, so dass die Bezüge komplett gestrichen werden. Stattdessen ist vorgesehen, mehrere Sanktionen nacheinander zu vollstrecken.

Für Arbeitslose bedeutet vor allem die letzte Regel eine Erleichterung, müssen sie doch nicht mehr den kompletten Wegfall ihrer Existenzgrundlage fürchten. Besonders harte Entscheidungen der Behörden hatten immer wieder Anlass zur Kritik gegeben. Für Empörung sorgte etwa 2007 der Hungertod eines Mannes aus Speyer, dem das Jobcenter trotz einer psychischen Störung das gesamte ALG II gestrichen hatte.

Geringere Freibeträge für Ehrenämtler

Andere Reformideen würden hingegen die Hartz-IV-Bezieher belasten. Etwa ist vorgesehen, die Aufwandsentschädigungen für Ehrenamtliche strenger als bisher mit der Grundsicherung zu verrechnen. Das ist ärgerlich, bedeutet doch das Engagement im Ehrenamt für viele Arbeitslose eine Chance, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben und sich zu beweisen. Hier sollten die Anreize eher ausgebaut werden.

Auch wenn Hilfsbedürftige die Zahlung des Jobcenters zweckentfremdet haben, etwa um Stromschulden statt der Miete zu zahlen, sollen sie zukünftig höhere Belastungen dulden. Bisher durfte die Behörde monatlich nur 10 Prozent des Regelsatzes von 391 Euro zurückverlangen. Zukünftig sollen es bei Alleinstehenden 30 Prozent sein.

Hier drohen Hartz-IV-Bezieher in einen Schuldenstrudel hineinzugeraten, belasten doch die explodierenden Energiepreise viele Familien. Laut einer Studie des Vergleichsportals Verivox sind die „Leistungen für Hilfsbedürftige bei Strom um mindestens 21 Prozent zu niedrig“ kalkuliert. Auch andere Haushalte mit kleinem Einkommen wie etwa Wohngeldempfänger, erwerbsgeminderte Menschen oder Sozialhilfebezieher geraten durch die Energiekosten unter Druck. Wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mitteilt, stieg der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte zwischen 1998 und 2013 von 17,11 auf 28,73 Cent pro Kilowattstunde.

Weniger Rechte bei rückwirkenden Zahlungen und Wohnungswechsel

Noch schwerer könnten jene Eingriffe wiegen, die eine rechtliche Schlechterstellung für Hartz-IV-Bezieher bedeuten. Hat das Jobcenter sich verrechnet und einem Anspruchsberechtigten über Monate hinweg zu wenig Geld gezahlt, so konnten die Betroffenen bisher mit einem Überprüfungsantrag die rückwirkende Zahlung der vorenthaltenen Bezüge erreichen. Paradox: diese Möglichkeit soll zukünftig entfallen. Sogar die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Klagen soll gestrichen werden.

Könnte die neue Regelung sogar ein Freibrief für Jobcenter-Betreuer sein, absichtlich niedrigere Leistungen zu berechnen, um Geld zu sparen? Der ALG-II-Empfänger hätte keine Chance mehr, seine Ansprüche rückwirkend geltend zu machen. Dem entgegen sollen die Ämter zu viel gezahlte Beiträge ohne schriftlichen Bescheid zurückverlangen dürfen.

Andere Vorschläge fallen ebenfalls zu Lasten der Hilfsbedürftigen aus. Wenn Arbeitslose zukünftig in eine teurere Wohnung wechseln, so müsste das Amt auf unbestimmte Zeit lediglich die alte Miete überweisen, selbst wenn die Angemessenheitsgrenzen nicht verletzt sind. Zudem regt die Arbeitsgruppe an, Aufstockern den anrechnungsfreien Einkommensbeitrag zu kürzen und beim Mehrbedarf für Alleinerziehende den Rotstift anzusetzen. Diese Ideen haben aber bisher keine Mehrheit gefunden.

Rechtsschutzversicherung auch für den kleinen Geldbeutel

Noch existieren die hier aufgeführten Pläne lediglich auf dem Papier. Es ist ungewiss, was davon zukünftig umgesetzt wird und was nicht. Bei 24 der 120 eingereichten Reformvorschläge hätte ein erstes Fachgespräch im Bundestag große Zustimmung gezeigt, berichtet Harald Thome. Er mahnt, dass Hilfsbedürftigen wenigstens das Existenzminimum zustehen müsse.

Der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung schützt Hartz IV-Empfänger auch bei Streitigkeiten mit dem Jobcenter. Zwar besteht vor Sozialgerichten Anspruch auf Prozesskostenhilfe in einem bestimmten Umfang. Aber diese Hilfe ist in der Regel auf bestimmte Rechtsstreitigkeiten beschränkt. Viele Versicherer haben Tarife für den kleinen Geldbeutel im Angebot – der Leistungsbaustein „Sozialgerichts-Rechtsschutz“ sollte laut Vertrag eingeschlossen sein.